Länderinformation

Äthiopien

Über die Nachrichten von Armut und Hunger in Äthiopien wird es oft vergessen: Äthiopien, das frühere Abessinien, ist von einzigartiger Schönheit und Faszination, sowohl als Kultur- als auch als Naturlandschaft. Es gilt geschichtlich als „Wiege der Menschheit“, eines der ältesten Staatengebilde der Welt und zählt zu den Regionen mit der grössten Biodiversität der Welt.

Geographie/ Landschaft

Äthiopien ist etwa vierzehn mal so groß wie Österreich. Es liegt nahe des Äquators am Horn von Afrika und ist das höchstgelegene Land des tropischen Afrika – das „Dach Afrikas“.
Äthiopien besteht aus einem massiven Hochplateau, das durch den Ostafrikanischen Grabenbruch geteilt wird und eine einzigartige Vielfalt an landschaftlichen Formen aufweist: vom Hochgebirge mit Ras Dashen, dem vierthöchsten Berg Afrikas (4.543 m) und weiteren 20 Viertausendern, über gemässigte Hochebenen zwischen 1.000 bis 2.500m, die in schroffen Steilhängen zu Ebenen mit Steppenlandschaften und Salzseen abfallen, bis zur Danakil Depression – 120 Meter unter dem Meeresspiegel und einer der heissesten Orte der Erde, der gleichzeitig an Schönheit und Faszination kaum zu überbieten ist. In Äthiopien ist auch der Ursprung des Nils mit den Nil-Fällen, in der Landessprache Tis-Abay, „rauchendes Wasser“, genannt, der bei Bahir Dar den Tana-See, Afrikas höchstgelegenen See bildet. Auf seinen mehr als 30 Inseln befinden sich die historisch und kulturell bedeutenden Rundkirchen und Tana-Klöster.

Geschichte

Der Fund der ca. 32 Millionen Jahre alten, bisher ältesten menschlichen Überreste von „Lucy“, amharisch „Denkenesh“, lässt Äthiopien zur „Wiege der Menschheit“ werden. Die ÄthiopierInnen leiten ihre eigene Herkunft direkt vom biblischen König Salomon und der Königin von Saba ab.
Als einziges afrikanisches Land war Äthiopien nie kolonialisiert, wurde allerdings 1935 – 1941 in einer sehr blutigen Auseinandersetzung, der fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung zum Opfer fiel, vom faschistischen Italien besetzt. Bis 1974 war Äthiopien ein Kaiserreich, das u.a. durch Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern einen wesentlichen Teil zur Verarmung der Bevölkerung beitrug. Es folgte bis 1991 eine sozialistische Militärregierung, in deren Zeit auch die grosse Dürre und Hungersnot 1984-85 liegt, die durch anhaltende militärische Auseinandersetzungen innerhalb des Landes und mit Nachbarstaaten noch verschärft wurde. Seit 1991 ist Äthiopien eine föderale Republik mit einem repräsentativen Präsidenten und einem starken Ministerpräsidenten. Die Regierung gilt als autoritär, erliess 2008 restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen und 2009 ein Anti-Terrorismusgesetz, welche weitreichende Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Freiheiten zur Folge haben. Der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt mit Eritrea flammt immer wieder auf und befindet sich derzeit in einem sehr fragilen Friedensstatus.

Klima

Das Klima Äthiopiens wird durch seine Topographie beeinflusst: In den tropisch heissen Zonen unterhalb von 1800m liegt die durchschnittliche Jahrestemperatur bei 27°C, in der Hochebene bei ca. 22°C und im Hochgebirge, etwa den Simien Mountains, muss man selbst bei Tagestemperaturen um die 25°C mit Nachtfrösten rechnen.
Von Juni bis September ist die grosse Regenzeit, im Februar/März folgt eine zweite, kleinere.

Wirtschaft

85% der Erwerbstätigen sind in der Landwirtschaft tätig, der Anteil der Landwirtschaft an der Wirtschaftsleistung des Landes (BIP) beträgt mehr als die Hälfte und stellt mit etwa 50% auch den grössten Teil des Exportes dar. Das Hauptexportprodukt ist Kaffee, der allerdings – sofern nicht fair gehandelt – heftigen Preisschwankungen am Weltmarkt unterliegt und damit eine sehr unsichere Einkommensquelle für die äthiopische Bevölkerung darstellt.
Zunehmend werden riesige landwirtschaftliche Flächen von internationalen Konzernen gepachtet, die diese – steuerbefreit und mit niedrigen Pachtzinsen – zur Blumen- oder Energiepflanzenproduktion, aber auch für zum Export bestimmten Reis- und Zuckerrohranbau verwenden. Der ansässigen Bevölkerung werden dadurch nicht nur fruchtbarer Boden und die Zugänge zu Weideflächen und Wasserquellen abgeschnitten, es werden auch nachhaltige ökologische Schäden erwartet: etwa durch künstliche Bewässerung, die der Umgebung notwendiges Wasser entzieht, oder durch intensive ganzjährige Nutzung in sensiblen Gebieten, die derzeit je nach Trocken- oder Regenzeit  extensiv genutzt wurden. Durch massiven Düngemittel- und Pestizideinsatz wird eine Verunreinigung des Trinkwassers befürchtet.

Bevölkerung

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat, bestehend aus etwa 80 verschiedenen Völker und ebenso vielen Sprachen. Amtssprache ist Amharisch. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt am Land. Es gibt ein friedliches Nebeneinander der verschiedenen Religionen, etwa 45% äthiopisch orthodoxe Christen, 35% Moslems, 18% Protestanten und eine verschwindende Minderheit an Katholiken, Juden und Naturreligionen.

Entwicklung

Äthiopien startete 2000 mit internationaler Hilfe ein Programm zur Reduzierung der Armut. Bis 2015 will Äthiopien jedem schulpflichtigen Kind Zugang zu grundlegender Bildung ermöglichen und durch medizinische Erstversorgung und Massenimpfungen Säuglingssterblichkeit und die Ausbreitung von Epidemien, Malaria und Tuberkulose stoppen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Kampf gegen die v.a. im ländlichen Raum nach wie vor weit verbreitete Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen.
Obwohl das Land seit 2003 ein bis zu zweistelliges Wirtschaftswachstum und beachtliche Fortschritte in der Entwicklung von Infrastruktur und Bildung aufweist, ist bisher der soziale Aufschwung ausgeblieben. Die hohe Inflation und das Explodieren der Lebensmittelpreise machten in den vergangenen Jahren jegliche Erfolge der Entwicklung Äthiopiens zunichte. Die ADA – Österreichische Entwicklungszusammenarbeit hält für eine nachhaltige Entwicklung die Einbeziehung aller Bevölkerungsteile für unabdingbar.

Vegetation

Der hochgelegene Norden wirkt sehr grün, üppig und fruchtbar, insbesondere nach der Regenzeit. Es wächst dort fast alles, was auch wir kennen, und noch viel mehr: sämtliche Getreidesorten, zusätzlich Teff, die spezielle äthiopische Getreidesorte, die mit ihren winzigen Körnern die Grundlage für das äthiopische Fladenbrot Injera bildet, die Basis jedes traditionellen Essens. Darüberhinaus wachsen neben Kaffee, dessen Ursprungsland Äthiopien ist, noch Avocado, Mango, Papaya, Bananen und Ananas und fast alle Gemüsepflanzen. Die WissenschafterInnen der Gen-Bank in Addis Abeba schätzen, dass in Äthiopien einige Dutzend anderswo unbekannte Kulturpflanzen, einige Hundert verschiedene Getreidesorten und einige Tausend unterschiedliche Samenmischungen vorkommen.
Die flachen Gebiete sind spärlich mit Savannengräsern, Wüstensträuchern und Dornenbüschen bewachsen, in den gemässigten Lagen findet sich v.a. beweidete Graslandschaft.n.

Hunger und Armut

Die Bevölkerung Äthiopiens hat sich in den letzten 70 Jahren vervierfacht. Derzeit leben dort ca. 85 Millionen Menschen, etwa die Hälfte unter der Armutsgrenze, womit Äthiopien zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Der hohe Bedarf an Feuerholz führte zu einer weitgehenden Entwaldung, die u.a. daraus resultierende Bodenerosion verursacht den „grünen Hunger“: trotz fruchtbarer Böden kann die Bevölkerung nicht ausreichend ernährt werden. Der grösste Teil der Landwirtschaft wird von Kleinbauern- und -bäuerinnen in Subsistenz hauptsächlich zum Eigenbedarf betrieben, wobei deren Flächen meist nicht ausreichen, um den eigenen Haushalt für das ganze Jahr zu ernähren. Entsprechend leiden 44% der ÄthiopierInnen unter Unterernährung. Flut und Dürre, die früher in Abständen von 25 bis 30 Jahren auftraten, kommen mittlerweile in Abständen von vier bis fünf Jahren und tun ihr Übriges.
Nach Angaben der Weltbank haben nur etwa 34% der Bevölkerung Zugang zu sauberem Wasser. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt dzt. bei 59 Jahren, bei der Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren belegt Äthiopien mit Platz 80 von 84 weltweit einen traurigen Spitzenwert.
Offiziell gilt in Äthiopien die Schulpflicht, die jedoch nicht konsequent durchgesetzt werden kann. Nach offizellen Angaben ist Kinderarbeit weit verbreitet: 58,1% der Buben und 41,6% der Mädchen zwischen 5 und 14 Jahren arbeiten regelmäßig, überwiegend in der familiären Landwirtschaft. In den großen Städten leben mehrere Hunderttausend Straßenkinder.